Norwegen - Barentssee - Die Reise ins Innere...

Ich sitze im Segelboot, die Kerze brennt, die Seile knirschen vom Schaukeln, draußen ist es dunkel, eine leichte Brise weht und die Masten anderer Segelboote wackeln scheinbar ganz aufgeregt. Dieser Zustand, auf dem Wasser zu sein, getragen zu werden und zu schweben, hat für mich etwas Embryonales an sich. Ist das der Grund, warum ich so tief und fest im Boot schlafen kann? Oder vielleicht ist es das Schaukeln, das mich daran erinnert, als Kind in den Armen der Eltern zu liegen und zu schlafen? Ich wache fast immer wie aus dem Koma auf, kann mich nur ausnahmsweise an einen Traum erinnern, als hätte ich keine Vergangenheit, - wie gerade auf die Welt gekommen! Ich muss mich sammeln und weiß selten, wo ich mich gerade beim Aufwachen befinde. Was für ein tolles Gefühl! Sich wie ein Embryo zu fühlen…

 

Das Schönste beim Kajak,- und Segelbootfahren ist, dass es sich, nachdem ich einige Tage auf dem Wasser war, alles weiterhin bewegt und schaukelt, auch wenn ich bereits lange schon wieder an Land bin und festen Boden unter meinen Füßen habe. Ich suche das Gefühl immer wieder und wieder - die Suche danach wurde zu meiner Passion. Ich bin an der Küste Portos aufgewachsen und habe ein besonderes Verhältnis zum Wasser. Das Meer ist und bleibt ein Mythos, nicht nur für mich. Warum war es für die alten Perser so heilig? Warum schufen die Griechen einen besonderen Gott des Meeres? Und was ist mit dem Bild des Narzissten, der in sein Spiegelbild im Wasser verliebt, eintaucht und ertrinkt…hinter dem „Spiegelbild“ lauert der Tod. Sigmund Freud schrieb:“...das Ziel des Lebens, ist der Tod.“ Tod ist Leben, ein anderer Zustand, es steht für zeitlose Neuentstehung. Alles begann vor zwanzig Jahren, als ich zum ersten Mal auf den Lofoten in Norwegen war. Damals war ich mit Auto und Fahrrad unterwegs. So eine grandiose Landschaft hatte ich bis dahin noch nicht gesehen. Ich wurde regelrecht von der Schönheit überrollt: die Berge, die Farben, die Häuser, die Mitternachtssonne, die Stille, die Einsamkeit, das Wasser, der Horizont, der an manchen Tagen nicht erkennbar war. Einfach alles. Die erste tiefe Berührung dort dauerte drei Stunden, ich saß mit meiner damaligen Partnerin auf der Hafenmauer, die Möwen kreisten über uns, im Hafen gab es keine Bewegung, das Wasser war ganz still, als würden wir an einem See sitzen...und dann diese Berge, die aus dem Wasser herausragten, stellenweise bis zu 1200 Meter hoch. Ganz steil ragten die Felsenformationen hoch, als hätten diese wie Zähne den Boden zerrissen. Wir saßen eine Weile dort, die Möwen schrien und schrien. Unverhofft kam bei uns gleichzeitig ein nie dagewesenes Gefühl von Ohnmacht und einem Gefühl der Hilflosigkeit auf. Die Tränen liefen, als sei es das Selbstverständlichste; es war so überwältigend und es steigerte sich noch weiter. Wir betrachteten die Kulisse und konnten uns die Schönheit nicht erklären. Wir stellten Fragen, die keine Antwort fanden. Was war das? Es wirkte fast biblisch,  apokalyptisch - auf dieser Bühne fehlten nur noch die Flugsaurier. Wir mussten fast fliehen. Wir schliefen danach zwei Stunden lang und haben diesen Ort „Å“, der südlichste Punkt der Insel, fast verlassen müssen, fuhren anschließend nach Norden und wollten auch erst mal nicht zurückkommen. Wir verließen den Ort nicht auf der Flucht, sondern weil es zu schön, zu stark, zu mächtig war. Gibt es so etwas überhaupt? Ja, wir haben es erlebt, es wirkte so stark auf uns und wir fühlten uns völlig machtlos ausgeliefert, wehrlos, ungeschützt und nicht in der Lage, rational zu denken.

Zurück in Deutschland, damals trieb ich hauptsächlich Sport mit dem Fahrrad, bis ich Tino kennenlernte. Tino zog in ein Familienhaus nebenan und über das Radfahren sind wir uns nah gekommen. Tino hatte auch ein Kanu und war damit auch mit seiner Familie unterwegs. Für mich war es Neuland, fand es jedoch so reizvoll, dass ich mir kurze Zeit später auch ein Kanu zulegte. Meine Familie und ich waren dann auch viel unterwegs, auch mit Tinos Familie. Unsere Urlaube wurden mehr oder weniger auf das Wasser verlegt, mit Gepäck, Zelt, Outdoor-Ausrüstung, etc. Es kam richtig viel Bewegung in unser Leben, allerdings waren die Vor- und Nachbereitungen nicht nur ziemlich zeitaufwändig, sondern auch sehr ermüdend. Das Boot wog knapp 35 Kilo, was nicht wirklich schwer ist, allerdings durchaus zur Herausforderung wird, wenn man es auf über zwei Meter dreißig auf unseren Bus, wir hatten damals einen VW LT mit Hochdach, hoch- und auch wieder herunterheben muss. Es war echte Arbeit, all die Packsäcke für die zahlreiche Kleidung der Kinder, die sie insbesondere am Wasser benötigen, wenn Sie noch klein sind, , zu verstauen, bis wir dann endlich die Ufer verließen: alles zehnmal runter, rein, raus, rauf, rein...Es war trotz alledem schön, die Kids fanden es total toll und aufregend. Mit einem großen Ausflug in den Spreewald kam für mich das KO-Kriterium, weil alles sehr schleppend lief, danach wollte ich keine großen oder mehrere Tage andauernde Ausflüge mehr. Zu viel Logistik, Organisation und dann noch so langsam mit dem Boot unterwegs zu sein - Kanu fahren war nicht ganz so wirklich mein Ding mehr. Ich schaute mich um und ich kaufte mir mein erstes Seekajak, ein Einsitzer. Kurz danach mein zweites und gleich ganze 6 Meter lang. Dann kam ein Zweisitzer und es sah so aus, als würde ich Boote sammeln. Wir fuhren sogar nach Spanien mit vier Booten auf dem Dach unseres alten VW Busses und es sah sehr abenteuerlich aus, wenn ich gestehen darf.

Zum Glück hatten wir mittlerweiler ein kleineres Auto, einen T4.

Leben ist das, was Dir unerwartet passiert, während Du so beschäftig bist, andere Pläne zu schmieden. So spielte das Leben mit mir und ich befand mich mitten in der Scheidung. Alles brach in sich zusammen, das Familienleben, die Arbeit, das Büro. Ich fiel tief  und musste mir Hilfe von außen holen. Zeit für Sport und Luxusleben gabt es nicht mehr, nur noch retten, was nun möglich war. Das Wasser war meine Befreiung, ich fühlte mich am und auf dem Wasser zuhause und es war mein Zuhause. So wie mein Leben einen neuen Anfang nahm, so hatte es auch das Bootfahren. Ich verkaufte alle Boote und ein Traum wurde wahr. Nach lange Suche kaufte ich ein Kajak, das absolut meins war, es war wie die Verlängerung meines Körpers, ich saß darin, wie angegossen. Der Rhein und Schluchsee wurden zu klein und der Bodensee war jetzt dran. Aus Tagestouren wurden Mehrtagestouren und kurz danach umrundete ich schon den Bodensee, wieder, wieder und immer wieder. Es war meine zweite Heimat geworden. In einem Tag paddelte ich sogar von Bregenz nach Radolfzell, 90 km mit vollgepackten Boot! Tino kaufte sein erstes Seekajak, er wurde vermutlich von mir „infiziert“. Wir fuhren zusammen zum Bodensee, hatten Großes vor und so fingen wir an zu planen. Wir planten eine Reise nach Norwegen. Es kam die Pandemie und der erste Lockdown. Alle meine Aufträge wurden gecancelt, ich hatte plötzlich keine Arbeit mehr, so wie die Meisten musste auch ich zuhause bleiben. Was zuerst der blanke Horror für mich und uns alle schien , stellte sich letztendlich doch als kleines Glück heraus. Während der Pandemie war alleiniger Sport erlaubt, ich fuhr zum Bodensee und holte mein Kajak aus dem Bootshaus in Konstanz. Zu meiner Überraschung traf ich dort auf ein Paradies: keine Boote, kein Schiff, keine Sportboote, kein SUP Fahrer, keine Touristen, keine Staus, keine Autos, kein Flugzeug am Himmel und dann noch der Frühling des Jahrhunderts mit super stabiler Wetterlage. Hier einige Eindrücke...

Hagnau

Marienschlucht

Marienschlucht

Fischbach

Klein Malereck

Marienschlucht

Sieben Wochen lang paddelte ich zwischen Langenargen und Radolfzell hin und her, schlief am Ufer nur mit Isomatte und Schlafsack, es regnete ja nicht, aber kalt war es trotzdem und so erwischte mich nachts bis zu 7 Grad minus. Ich feilte an meiner Ausrüstung, probierte neue Sachen aus und gleichzeitig fühlte ich mich wie irgendwo in Skandinavien, der See war wie ausgestorben und anstatt zuhause in meinen eigenen vier Wänden die Zeit abzusitzen, lebte ich in meinem Element. Draußen. Ich durfte viel Erfahrungen sammeln, es war einfach großartig. Unsere Planung ging für 2020 nicht mehr auf, die Zeiten waren einfach zu turbulent, eine große Unsicherheit lag in der Luft und viele Staatsgrenzen waren dicht. Wir machten mit unseren Planungen für 2021 weiter und es gab viel zu tun. Woher sollte unser Essen kommen? Trockenfutter für 5 oder 6 Wochen vom Outdoorladen ist kaum genießbar, da es alles gleich nach Geschmackverstärker schmeckt und ich jedes Mal Sodbrennen bekam. Lofoten war ursprünglich unser Ziel. Durch Zufall fand ich jedoch einen Zeitungsartikel, der uns von dem Plan abkommen ließ. Die Lofoten hatten sich in den letzten Jahren zum Hotspot Norwegens gewandelt und waren kein Geheimtipp mehr. Nachdem wir lasen, dass auf den Lofoten heutzutage ca. 5 Millionen Touristen, bzw. Wohnmobilisten pro Saison durchgeschleust werden, trafen wir die Entscheidung, die Tour noch nördlicher zu legen. Wir entschieden uns, nach Senja auf Tour zu gehen. Ab Trondheim ist Norwegen ziemlich dünn besiedelt und einsam. Einkaufen kann man nicht gleich um die Ecke, zumal Norwegen sehr teuer ist. Aber auch andere Bedenken traten auf: wer sich an der Westküste bewegt, ist von der Zivilisation abgeschnitten, denn dort gibt es Mobilfunknetz-„Schatten“. Große Bereiche an der Küste sind nur per Radiofunk erreichbar. Wie wird es sein, wenn wir in eine Notsituation kommen und ein Notsignal senden müssen? Kommt überhaupt jemand? Wir werden schließlich auf offenem Meer paddeln, dort gibt es weltweit die stärksten Wasserströmungen. Die Steilküste lässt ein Anlanden nur an vereinzelten Stellen zu. Also wir brauchen Karten, viele Karten. Segelkarten sind für uns „unbrauchbar“, Tiefen und Untiefen sind für uns nicht relevant, wir benötigen Karten, wo die Küste sehr detailliert dargestellt wird. Ein Cocktailmix aus Flut und Ebbe, Golfstrom, Winde und Wassermassen, die aus den Fjorden ins Meer fließen und auch zurückkommen. Das Dreieck zwischen Spitzbergen, Island und dem norwegischen Festland ist der ideale Brutkasten für die Bildung von Monsterwellen, wenn der Wind aus dem Norden bläst. Wetterprognosen abzurufen ist ein absolutes MUSS, manchmal sogar stündlich. Literatur darüber gibt es nicht oder kaum und wenn überhaupt, nur auf Norwegisch, und gute Karten gibt es sowieso nicht, nur Wanderkarten. Haben wir überhaupt genug Platz in unseren Booten für alles, was wir mitnehmen müssen? Kleidung für alle Wetterlagen, Ausrüstung, die für so eine Unternehmung geeignet ist? Wintereinbrüche sind keine Seltenheit, sogar an der Tagesordnung. Wenn ein Wetterumschwung stattfindet, droht uns vermutlich, im Fjord einige Tage festzusitzen. Mit Allem muss man ja rechnen, denn wir sind im hohen Norden, da herrschen andere Verhältnisse. Sind wir überhaupt für das Nordatlantischen Meer gewachsen? All das fragten wir uns immer wieder. Wir trafen uns jede Woche und versuchten kein Detail außer Acht zu lassen. Ende Juni 2021 waren wir soweit. Mit ach und krach sind wir in Norwegen eingereist, Corona Inzidenzen machten uns das Leben schwer und je nach dem, waren die regionalen Grenzen entweder geschlossen oder nur extra mit Genehmigung zu passieren. Am 6. Juli packten wir unsere Kajaks und paddelten am Botnhamnfjord am Fjordbothn los.

Die alle letzte Entscheidung, was nehmen wir wirklich mit?

Was erwartete uns? Für mich persönlich war es sehr spannend, ganz ohne Erwartung, ob es überhaupt geht, nachdem ich so von Norwegen beeindruckt war? Was war es, was Tino und mich bewegte, dort in die Einsamkeit zu gehen? Die Frage bewegt mich immer noch, ich weiß nicht, ob eine plausible Antwort unbedingt wichtig ist. Fakt ist, die Reise hat mein Leben verändert. Ich war dort völlig meinem Urrhythmus unterworfen, es gab keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht, da wir die Mitternachtssonne erlebten. Unsere Kajaks waren so vollgepackt und die Masse in Bewegung zu bringen, beanspruchte unsere Kräfte auf eine ganz eigene Art und Weise. Überlegenheit, Langsamkeit und die richtige Einteilung von Ressourcen waren gefragt. Einpacken, auspacken, Kleidung trocknen, sortieren, vorbereiten, all das nahm fünf Stunden am Tag in Anspruch. Schlagartig waren unsere Gewohnheiten so anders, wir vergaßen, wann wir aufbrechen sollten, die Zeit spielte so oder so keine Rolle mehr...Klar könnte man sagen: „Ihr seid im Urlaub...“. Na ja, es war ein Urlaub ohne Cocktails, ohne Supermarkt nebenan, ohne jegliche Art von Luxus, also kein Glamping. Sich ganz bewusst den Naturkräften gnadenlos auszuliefern und immer die große Frage, ob uns diese ungeheuren Kräfte daran teilnehmen? 

Erster Tag. Sind wir in die Karibik? Scheinbar...

Wie aus dem Bilderbuch...fast, was wir auf dem Bild nicht sehen sind die Mücken, bzw. Kriebelmücken...nach Invasion, folgte die totale Eskalation!!! Die Kriebelmücke, die Wächterin des Nordens. Zur Info, sie stechen nicht, sie beißen eine kleine Wunde in die Haut, in der sich das Blut sammelt, das sie dann absaugen. Der Juckreiz kann unter Umständen wochenlang anhalten und kann sogar Blutvergiftung verursachen...! Es war alles nicht so schlimm, es klingt nur so. Was man nicht alles macht um schöne Bilder im Kasten zu haben ;-)


Blick Richtung Sommarøy, es ist Mitternacht...

Die Überfahrt nach Tussøya, einfach zu schön um wahr zu sein...nur für ein paar Tage verlassen wir Senja.

Trøms Gebiet.

Blick von Tussøya Richtung Sommarøy, Senja im Hintergrung.

Die erste Kaltfront. Nach bereits einer Woche hatte ich keine trockene Kleidung mehr...auch wasserdichte Kleidung hat ihre Grenzen.

Strandgut.

Am fünften Tag paddelten wir aus dem Battsfjord raus und es trat zuerst Kabbelwasser ein. Die Frage war, ob es jetzt für uns noch schlimmer wird und ob es sich noch steigern würde? Wir konnten aus der Froschperspektive überhaupt nichts erkennen, nur die Wassermassen, Welle auf, Welle ab, immer höher und höher. Ich vermute, wir hatten nach einer Weile drei, vielleicht sogar vier Meter hohe Wellen. In unseren schmalen Kajaks, nur 52 cm breit, war es ganz schön wackelig, obwohl wir vollgepackten waren. Wenn man oben auf der Welle drauf war, schaute das Kajak die Hälfte aus der Welle heraus und man schaute ganze sechs bis acht Meter in die Tiefe. Glaub mir, es ist beeindruckend und in den Moment fragt man sich, wie lange es gut gehen wird? Man gibt sich dem Moment hin und vertraut darauf, dass es gut wird. Die einzigen Geschenke des Meeres sind harte Schläge und gelegentlich die Chance zu haben, sich stark zu fühlen, nicht unbedingt stark zu sein. Das Meer macht, was es will, wir dürfen uns nur in jeder Lage unterordnen. Denken, sich einmal messen zu lassen und sich zumindest einmal im Urzustand menschlichen Seins zu befinden. Hingabe! Da war ich in meinem Element und in solche Situationen, wo das Wasser sich auftürmt. Damit das Boot stabil und auf der Spur bleibt, muss kräftig und unaufhörlich gepaddelt werden. Welle rauf und runter, der Wind peitschte und die Gischt spülte über das Boot. Ich drehte mich und sah niemanden mehr. Wieder geschaut und noch mal, irgendwann musste Tino doch zu sehen sein. War er aber nicht. Es war so schwierig, aus der Froschperspektive etwas zu erkennen, zumal es richtig rauf und runter ging. Ich kann nicht genau sagen, wie lange, vielleicht 30 oder 45 min, oder länger, aber ich konnte ihn nicht finden. Wasser und nur Wasser um mich herum und nichts Anderes gab, soweit mein Blick reichte. So viel Wasser vor mir, hinter mir, neben mir und vor allem unter mir. Ich peilte den nächsten Fjord an, ich verstand nicht, was mit mir geschah, ich dachte, ich käme in ruhigere Gewässer, aber das Gegenteil passierte. Ich befand mich jetzt mitten in der Ebbe. Im nächsten Fjord, Oyfjord floss das gesamte Wasser ins offene Meer hinaus. Vorher hatten wir gegen die Golfströmung gepaddelt, jetzt musste ich gegen den „Abfluss“ kämpfen. Die Wellen kamen von allen Seiten, unvermutet war ich umgeben von komplizierten Wellenformationen und ich könnte mich überhaupt auf Nichts einstellen. Was für ein Albtraum! Von hinten, von der Seite, von vorne, schräg von links, rechts. Wieder Kabbelwasser, aber diesmal von großen Wellen verursacht. Ich wollte nur noch raus. Wo war Tino? Dann kam die Angst hoch, die Angst, Tino verloren zu haben, gefühlt sah ich ihn sei eine Ewigkeit nicht mehr, ich war mit dem Kampf gegen die Urgewalten so vertieft, dass ich auf nichts Anderes achten konnte. War irgendetwas passiert? Ungewissheit. Wo war er? Ich fragte mich ernsthaft jetzt, was ich seiner Frau, seinen Kindern sagen sollte, falls er nicht mehr da sein sollte. Die Angst, einen Freund verloren zu haben in diese unglaubliche Weite des Meeres. Ich hätte es mir niemals verzeihen können, wäre es so gewesen...Ich paddelte weiter, bis ich in ruhiges Gewässer kam, ich drehte mich zum offenes Meer hin um und wartete darauf, ihn endlich wieder zu sehen... Nach ewig langem Warten sah ich endlich einen kleinen Punkt am Horizont, dann verschwand er wieder und tauchte wieder auf und wieder ab und dann letztendlich wieder auf. Es war so unbeschreiblich, wie ruhig auf einmal alles war, nichts wackelte mehr und Tino war wieder bei mir. Keine 500 Meter von uns entfernt tobte das Meer und wir waren in Sicherheit. Verblüffend! Wir waren im Husoy angekommen. Was für eine unbeschreibliche Aufregung.

Als ich am nächsten Tag mit dem SAR´s Seenotretter Kapitän am Hafen von Husoy sprach, bekam ich noch mehr Respekt vor dem Meer, denn er sagte wörtlich: “The Ocean is so scary here, please don‚ t play with your lives, live is so beautiful. We are afraid every time we go outside, but we never let no one alone out there!...“ Wie mutig, wie viel Größe und wie viel Kraft dieser Mann zeigte. Wir fragten uns danach, ob der Preis am Nordatlantik Meer unterwegs zu sein, einfach zu hoch war. Fragen über Fragen. Also gingen wir am nächsten Tag wandern. Wenn wir zugeben, dass das menschliche Leben nur vom Verstand gelenkt werden kann, zerstören wir die Möglichkeit, zu leben. Angst ist nicht real. Der einzige Ort, an dem Angst existieren kann, ist in unserer Vorstellung. Die Angst vor der Zukunft ist ein Produkt unserer eigenen Fantasie und lässt uns Dinge fürchten, die in der Gegenwart nicht existieren und vielleicht niemals da sein werden. Die Gefahr ist keine Vorstellung, aber Angst ist eine Entscheidung. Meine Tage sind in der Tat aufregend, so ohne Sicherheit und ohne all das, was ich denke zu benötigen. Was bedeutet Sicherheit? Können wir alles im Leben planen? Nach dieser Erfahrung gab es eine Krisensitzung. In außergewöhnlichen Situationen taucht der wahre Charakter auf. Wir versuchten das,  was mit uns geschehen war, in Worte zu fassen und versuchten uns auf eine Lösung zu einigen. Wir überlegten, was zu tun wäre, wenn uns wieder so etwas passieren würde. Wir fühlten uns von dem anderen jeweils nicht gehört und konnten so das Thema nicht abschließen. Plötzlich waren die Fronten festgefahren und es schien keine Lösung für den Moment möglich. Auch Tage später versuchten wir das Thema zu klären, wieder ohne Erfolg. Was tun? In der Tat kam mir der Gedanke, die Tour abzubrechen. Und dieser Gedanke half mir. Kann man Probleme bewältigen ohne sie anszusprechen? Das ist dann mit uns passiert. Wir sind einen Tag später auf den Segla gewandert, bzw. geklettert. Der Gipfel war auf 650 Höhenmetern, nicht wirklich aufregend, allerdings auf einer Strecke von 1,8 km!

An den Fußspuren erkenntbar, ein "Wallfahrtsort". 

Auf dem Segla.

Norway at it´s best.

Abends bin ich dann noch alleine auf den "Elefantenrücken" gewandert um den Segla frontal zu photographieren, das Denkmal schlechthin. 550 Höhenmeter, diesmal auf einer Strecke von 1,2 km. Ich kam um 1h30 morgens am Gipfel an, völlig erledigt, die Kriebelmücken und Fliegen, die meinen Schweiß so toll fanden, wollten mich nicht in Ruhe lassen. Ich saß auf einem kalten, ungemütlichen Stein und ich freute mich über das Leben, genoss diesen Stein und war so dankbar über all das, was ich erlebte. Freiheit und die schlichte Schönheit sind zu gut, um sie einfach vorübergehen zu lassen. Und ich spürte wieder Hingabe. Gleichzeitig fühlte ich mich so klein, ich durfte dort sein, weil die Sterne, die Götter oder sonstige Mächte mir die Erlaubnis erteilten, dort zu sein. Dort oben machte ich zwei einzige Photos, aber nicht den Segla selbst, was ich ursprünglich dachte, sondern unerwarteter Weise in Richtung Norden. 

Die stille Belohnung...1h50 AM.

Am liebsten hätte ich gar kein Photo gemacht. Solche Erinnerungen ohne Beweise sind die beste Erinnerung überhaupt. Die Erinnerungen, die nicht sichtbar sind, die in unseren Köpfen stattfinden, gehören nur uns. Aber Glück ist nur echt, wenn man es teilt und ich wollte es unbedingt in die Welt bringen und anderen den Eindruck mitteilen. Als ich wieder runter lief, traf ich Leute, die rauf gingen und ich dachte „wenn Du wüsstest, was ich gerade gesehen habe...“ aber wer weiß, was sie in dieser „Nacht“ gesehen oder erlebt haben, was ich nicht gesehen hatte. Das Leben ist so spannend! In dem Moment war ich nur noch dankbar. Dankbar für das Leben. 

Zwischendurch hatten wir Bilderbuchfahrten mit ruhigem Gewässer, kein Wind, viel Ruhe und glattes Wasser. Fast.

Auf den richtigen Zeitpunkt, bzw. auf die Ebbe warten. Wir freuen uns auf das offene Meer. 

Auch Zeit für Selfies muss sein ;-)

Mefjord...

...ein Traum.

Quecksilber in seiner schönsten Form.

Wenn ich von Ruhe schreibe, meine ich eine Stille, in welcher man die Urgeräusche in seinen Ohren hört, ein Grundgeräusch. Totenstille. Wir waren im Skäland Gebiet angekommen, ein riesiger Fjord, vor dem ein Archipel liegt. Das Wetter war sehr bescheiden, schließlich hatten wir gerade einmal 6 Grad, vermutlich sogar weniger. Hauptsächlich hatten wir jedoch wegen Ebbe und Flut unsere Bedenken. Wir beobachteten, wie das Wasser durch die Inseln floss, große Wirbel mit Schaum konnten wir aus der Ferne beobachten. Wir paddelten mitten im Paradies, so viele Inseln für uns alleine, kristallklares Wasser, Sandstrände, wie in der Karibik, Angel rein und fünf Minuten später schon vier Fische an Bord, ein Traum für jeden Angler.

Die Vorfreude. Warum Dosenessen oder Fertig-Fraß, wenn es anderes geht?

Abendessen, Frühstück, Mittag. Oder doch nur Abendessen? ;-)

Filetieren ist Tino´s Sache...

...Kochen ist meins. Tomatenreis mit Seelachs. Der Fisch? Nur grobes Salz, scharf aber glasig anbraten, somit zergeht das Fleisch im Mund ohne kauen.

...mir war alles recht...Couscous mit Cashew-Nüsse, Sonnenblumenkerne, Rosinen und gerade gepflückte Miesmuscheln.

Graupen mit Mandeln, gebratene "Patrones" mit Dorsche auf Zwiebeln, Knoblauch und Zitrone. Wer sagt man soll unterwegs verzichten? Auch ein Milchschaümer für den Kaffee war am Start...

Solch frisches Sushi hat man nicht alle Tage. Gollum still alive?

Kontrastprogramm: "Norway´s Wild Salmon de Luxe"...

Reparaturarbeiten.

Es gab auch andere "Leckerlichkeiten", hier my favourit. Frischkäse auf Dinkelteigmischung mit gebratenen Kirschtomaten und geräuscherte Tiroler Schinkenwürfel...ein Gedicht!

Wir aßen bestimmt 30 Kilo Fisch während unseres Aufenthaltes in Norwegen, ganz bestimmt sogar mehr. Omega 3 overkill, oder Mengen die vermutlich nicht mehr im messbaren Bereich waren. Ich konnte nicht genug kriegen, bei Tino wuchsen schon die Flossen aus den Ohren, er brauchte eine kleine Pause. Wir aßen jeden Tag Dorsche, Heilbutt, Seelachse, entweder ganz roh, gebraten, im Reis, ach egal, es war einfach schön. Übrigens sind das die fischreichsten Gewässer der Welt, im Frühjahr kann man sogar Wale vom Festland beobachten. Nichtsdestotrotz stehen die Norweger  nur an zweiter Stelle in ganz Europa, die besten Fischesser Europas sind in der Tat die Portugiesen. Ob das der Grund war, warum ich so viel Fisch aß? Kann sowas im Blut liegen? Ich denke nicht, ich liebe es einfach. Am ersten Tag blieben wir sehr lange auf, die  Stelle war zum Verlieben toll, wir machten ein Feuer und betrachteten das Schauspiel am Himmel, unzählige Vögel flogen herum und wir schwiegen und sagten keinen Ton, warum auch?

Nur der Moment zählt. 2:20 AM.

Am nächsten Morgen ging ich sehr früh aus meinem Zelt. Am Horizont zogen die Wolken, dichte Wolken, ich sah Regenwolken, dann Schneewolken, dann die Sonne wieder, dann zog sich alles wieder zu. Dann hellte es wieder auf und ich versuchte mit dem Photoaparat alles festzuhalten, ein Spiel zwischen Licht und Schatten, es wirkte wie Meditation.

Auch in Kleinigkeiten verliebte ich mich.

Geschenke egal in welche Richtung man schaut.

Ich lief langsam zurück und ein bekanntes Gefühl kam wieder hoch, es war so schön, so stark und mir kamen die Tränen. Dieses Gefühl konnte und wollte ich nicht zurückhalten. Es steigerte sich unaufhörlich weiter, ich war mittlerweile an unserem Zeltlager angekommen. Tino stand da genauso wie ich, völlig in Tränen aufgelöst. Schon wieder die gleiche Situation wie vor zwanzig Jahren, wir haben uns dem Moment hingegeben, hielten uns fest und weinten gemeinsam weiter! Was für ein Déjà-vu, wie ist es möglich, wir hatten den Eindruck irgendetwas Großes berührte uns, etwas Göttliches ergriff uns ganz tief, hauchzart, warm, einfühlsam. Wir hatten beide das Gefühl, die ganze Welt umarmen zu wollen. Es war so schön und unerklärlich. Würden wir auf der Stelle sterben, wäre es für uns völlig in Ordnung gewesen. Wir hätten uns von der Welt ganz friedlich verabschiedet, ohne den Eindruck gehabt zu haben, es wäre noch was offen, was wir unbedingt noch hätten klären müssen. Wir fragten uns später, wie es dazu unabhängig voneinander kam. Wir packten alles wieder zusammen und es dauerte Stunden, bis wir fertig waren, schließlich spielte es keine Rolle, wann wir aufbrechen würden. Wir waren völlig von der Rolle und verstanden nicht, was mit uns geschah. Eine Stunde später paddelten wir mit Seehunden zusammen…zuerst dachten wir, dass wir sie beobachten, aber wir mussten uns ganz ehrlich eingestehen, dass sie uns beobachtet und völlig im Griff hatten, sodass wir an dem Tag keinen einzigen Fisch am Haken hatten, die Fische hatten sich schließlich vor derartigen Jägern lieber aus dem Staub gemacht…Wir versuchten die Viecher aufs Bild zu bekommen, vergeblich. So wie sie auftauchten, waren sie auch gleich wieder abgetaucht.

Mitten im Juli brach der „Winter“ ein, Schnee fiel, es war kalt, das Wasser türmte sich bis zu 6 Meter Höhe auf und der Wind wehte bis zu 80 km/h. Die Prognose für die kommenden zwei Wochen sah nicht gut aus.

Wir entschieden uns, ganze 1000 km weiter südlich zu fahren. So fuhren wir nach Rörvik, nahe Trondheim. Um die Halbinsel Inner- Vikna gibt es unzählige unbewohnte Inseln. Um Vägøya schien es für uns sehr reizvoll zu paddeln. Zu meiner Überraschung wollte Tino doch nur kleinere Tagestouren machen und auf dem Campingplatz bleiben. Für mich kam es überhaupt nicht in Frage. Ich packte das Boot mit allem, was ich für einige Tage brauchte: 15 Liter Trinkwasser, alle Geräte in aufgeladenem Zustand und die Powerbanks und dann paddelte ich los, nachdem ich mich von Tino verabschiedet hatte. Es war grau, kalt, ungemütlich, so wie manche Tage im späten Herbst oder sogar wie im Winter bei uns in Deutschland. Sobald ich aus dem Fjord paddelte, war es sehr windig, also musste ich im Windschatten der Küste fahren. Nur stellt sich das Problem, dass es an solchen steilen Küstenabschnitten durchaus passieren kann, dass fallende Winde oder kräftige Böen aufkommen und ein Kentern vorprogrammiert ist. Etwas Erfahrung an der Schärenküste von Schweden hatte ich ja schon, wenn ich überhaupt von Erfahrung reden kann. Es ist sehr verwirrend, man schaut geradeaus und die Inseln wirken, als würde es keinen Durchgang geben und man hat ständig  das Gefühl, öfters an der selben Stelle gewesen zu sein. Man paddelt los, sieht die Küste, aber nicht die verschiedenen Inseln, wo eine Insel anfängt oder aufhört und wo die Passage ist. Erst kurz davor kann man einen minimalen Unterschied zwischen den Ufern erkennen und genauso war es dort auch.

Aus der Vogelperspektive...

Aus der Froschperspektive...

Wir hatten nur eine Übersichtskarte erworben und ich habe meinem Garmin und Handy vertraut. Das Handy funktionierte jedoch nur bedingt und ich hatte kaum Empfang. Auf dem Garmin war die Seekarte überhaupt nicht genau dargestellt und meine Route ging ganz oft durch Inseln durch. Mir ist es immer wieder passiert, dass ich dachte, bei Punkt X zu sein, doch ich war in Wirklichkeit ganz wo anderes. Die Navigation war sehr anspruchsvoll und sehr schwierig, aber verzettelt habe ich mich zum Glück nicht. Mir war es sehr wichtig, alleine zu sein, in mich zu horchen, in meinem Urrhythmus zu sein, um mehr von mir zu erfahren, dafür hatte ich eine ganze Woche dort Zeit. Es gab keine Dunkelheit, niemand um mich herum, auf die Uhr schaute ich nicht und damit gab es keine Zeitstruktur mehr. Ich habe nicht telefoniert und auch keine Nachrichten gesendet, stellenweise gab es doch Funkverbindung, nur ab und zu habe ich kurz Tino geschrieben, dass es mir gut geht. Übrigens kann man über Garmin-Geräte zuverlässig Nachrichten über Satellit senden. Tage lang habe ich geschwiegen und bin nur meinem eigenen Impuls gefolgt. Es war so still, totenstill. Ab und zu hörte ich Möwen oder Seehunde, sonst nichts.

Ich liebe Nebel und wie die Natur darin verschwindet und ich gleich mit.

Das Wasser kam und ging lautlos, Brandung gabt es auch nicht. Ich hörte meinen eigenen Puls und wie das Blut in meinen Adern rauschte. Jeden Tag. Ich sammelte Treibholz, was es vorher im hohen Norden nicht gab und ich machte jeden Tag Feuer. Ich paddelte von Insel zu Insel und immer weiter. Irgendwann mussten die Inseln doch aufhören, dachte ich, doch es ging immer weiter, kilometerlang, soweit ich sehen konnte. Mir wurde klar, dass die Worte für meine Gedanken immer weniger Bedeutung hatten. Taten waren viel wichtiger geworden. Herumreisen ist zu einfach, wenn man alles hat, je mehr wir selbst verzichten, umso weniger Ablenkung von uns selbst kommt von außen. Manchmal geht man still weiter, wenn man einsam ist und versucht die Lücken der Vergangenheit zu schließen, über das Gelingen und Misslingen und um über sich selbst zu reflektieren. Ich saß regungslos hier und da und ich wurde ein Teil von dem Ganzen. Die Bewegungsabläufe wurden zunehmend langsamer, alles schien bedacht zu sein, alles schien stimmig, fügte sich wunderbar ein und die ganze Welt drehte sich wie in Slow Motion um mich herum. Die Reise fing erst jetzt für mich richtig an und ich habe mir gewünscht, einfach so weiter machen zu können, gar nicht mehr ans Aufhören zu denken. Mich in meiner Stille auszuhalten, mich selbst auszuhalten mit all den Polaritäten, Gedanken und Meinungen, die ich in mir trage und die mich ausmachen. Mich zeitgleich „zu sehen“, als hätte ich mich selbst verlassen, als Beobachter mir selbst gegenüber zu treten und mich zu durchschauen und festzustellen, dass ich nicht die Person bin, die ich dachte zu sein. Dort zu sitzen und mein Herz zu öffnen und die Arbeit, die vor mir steht, die erledigt werden will, zu spüren. Dort zu sitzen, den Boden zu betrachten und so viel Leben zu entdecken, nachzuempfinden, zu lieben. Mein Herz so zu öffnen, alle Lebensformen zu verinnerlichen und mein Herz in der Stille weiter zu öffnen. Der bewusste Verzicht, meine eigene Komfortzone zu verlassen, um mich selbst zu entdecken und die innere Verbindung herzustellen. Und genau da weiter zu machen. Alles erweitern. Ich betrachtete die Gegend und was sinnlos erschien, wandelte sich in Liebe. Ich fing das Gras, die Bäume, das Wasser, die Blumen, die Vögeln, die Luft, alle visuellen Eindrücke um mich herum zu lieben. Die Menschen, die mit mir das Leben teilen, meine Erinnerungen an die Menschen, die nicht mehr bei uns sind, in all das steigerte ich mich immer weiter rein, bis ich nur noch im Fühlen war. Keine Gedanken mehr, nur noch fühlen. Zu spüren, dass ich nichts anderes bin, als ein Resonanzkörper, vielleicht das Göttliche in mir zu spüren. Wieder flossen lautlose Tränen und ich war über das Leben unendlich dankbar und nahm all die Wertschätzung wahr. Es fühlte sich an, wie ein reinigendes Feuer, ich spürte eine Energie und trat als ein anderes Ich heraus. Ich wünschte mir dabei, nie mehr diesen Zustand verlassen zu müssen, immer weiter und weiter in diesem Hier und Jetzt zu sein. Und doch ich ging ich ans Zelt zurück, völlig erschöpft, aber völlig beseelt. Ein ganzen Tag verging ohne es zu merken. Dann müsste ich mit Verwunderung feststellen, dass ich nicht alleine auf der Insel war. Zu meiner Überraschung trieb ein haariger Kerl gemeinsam mit mir sein Unwesen. Ein Schaf! Aber warum zur Hölle war der Kerl alleine dort? Nein, es war keine Halluzination. Als er mich sah, rannte und schrie er um sein Leben; gesehen habe ich Ihn nie wieder…

Ein Tag bevor ich zurück paddelte, erlebte ich eine Überraschung. Auf einem geschützten „Durchgang“ zwischen zwei Inseln stand ein Haus, davor ein Steg mit einem Sportboot, drei Kajaks, jede Menge Hunde und auf der Terrasse saßen Leute; ich konnte nicht wirklich viel erkennen. Mir war es sowieso ein Rätsel, wie manche Häuser einfach im Nirgendwo standen, warum Menschen sich entschieden, genau dort zu bauen und vor allem, wie viele Hürden und Strapazen Menschen auf sich nehmen. Kann man sich einfach irgendwo ein Stück Land kaufen oder wie sieht es mit Genehmigungen aus? Schließlich gibt es Millionen von Inseln. Zufall, dass ich ausgerechnet auf dieses Haus traf, schien es mir nicht zu sein. Ich paddelte hin. Neugierig bin ich nämlich überhaupt nicht, nein, nein, sondern aus reinem Interesse, heisst es...

Menschen zu sehen, zu sprechen, sich auszutauschen fühlt sich außerirdisch gut an. Wir unterhielten uns eine ganze Weile, ich unten im Kajak und der nette Man über die Brüstung gelehnt, lud mich auf eine Tasse Kaffee ein. Kajak am Steg festgezurrt, an den Hunden vorbei, sie hatten sieben Huskys und zwei Haushunde, und ich genoss die Gesellschaft der Norweger. Oma, Opa, Sohn, Schwiegertochter aus Holland und zwei kleine Kinder. Ich war genau da, wo ich sein wollte, mittendrin, wo sich das Familienleben abspielt. Wir unterhielten uns sehr lange und auch intensiv, vielleicht weil ich mich nach ein paar Tagen in der Einsamkeit nach Kontakt sehnte,. Sie fragten mich über mich aus, wie es dazu kam, dass ich dort unterwegs war. Alleine. Mit den Kindern, vermutlich sechs und vier Jahre alt, konnte ich mich nicht unterhalten, Sie zeigten mir aber das ganze Haus, deren Zimmer und einige „Geheimnisse“. Habe das Haus von innen photographiert und anschließend portraitierte ich sie alle; die Photos habe ich die Tage per Post nach Norwegen gesendet. Wir tauschten die Adressen aus. Nach einer Weile stiegen wir in das Sportboot, Opa, Sohn, Hund, die beiden Kinder, und sie zeigten mir die Gegend, die besten Spots zum Übernachten.

Anstatt 5, mal 40 Knoten zum Abwechselnd...Yeah!

Nach einige Stunden trennten wir uns, Pfannkuchen und selbst gemachte Marmelade gabt es „selbstverständlich“ auch zum Mitnehmen. Ich nahm Sie alle in meinem Herzen mit.  

...mein lieblings Strand.

Weil ich mich einige Kilometer südlicher befand und schon anfang August war, fingen die Tage wieder kurzer zu werden und das Feuer strahlte und erleuchtete langsam wieder die Nacht.

Am nächsten Tag wehte der Wind so stark, dass ich Bedenken hatte, dass mein Zelt davon wehen könnte.

"Chill Out Or Die"

Auf dem Wasser war es sehr schwer dagegen anzukämpfen, ich paddelte zum Glück gegen den Wind, so musste ich meinen Kurs nicht ständig korrigieren und auch nicht auf der Stelle driften. Außerdem musste ich noch gegen die Ebbe arbeiten und kam deswegen völlig abgekämpft mittags am Campingplatz an. So viele Menschen standen am Ufer, vielleicht 20 Personen und es waren auch viele Kinder, die am Wasser spielten überfordert mich in dem Moment ganz schön, also ließ ich das Kajak stehen und lief zu Tino Wir umarmten uns ganz fest und schwiegen miteinander, freuten uns übereinander. Wie schön es sich anfühlte, wie glücklich ich mich fühlte und wie berührt ich mich von seiner Kraft, Wärme und Umhüllung empfand. 

Es sind mittlerweile jetzt 14 Jahre vergangen, dass ich Kajak fahre, aber ich hätte es nie für möglich gehalten, wie intensiv dieses Gefühl von Glück sein kann und vor allem, was für eine Veränderung in meinem Leben stattfinden wird. Auf dem Wasser unterwegs zu sein, weckte mich auf und öffnetet meine Augen. Es hat mich veranlasst, meiner Komfortzone zu verlassen, meine eigenen Grenzen neu zu definieren, zu finden. Es bildet die Grundlage für neue Entwicklungsebenen. Ich fühle mich nie so geerdet und ruhig, als wenn ich aus dem Wasser zurückkomme und so viel Vertrauen in mir selbst spüren darf. Warte nicht, bis Du denkst, dass Du endlich bereit bist. Mache es einfach, die Welt wartet darauf, erobert zu werden, denn wenn Du die Welt entdeckst, entdeckst Du Dich selbst auch, vor allem Deinen eigenen Mickrokosmos. Einhundertprozentig, ein für alle Mal bereit zu sein gibt es nicht, Du wirst nie fertig werden...nur das „JETZT“ zählt! Meine kommende Reise ist schon im Plannung.

Die Gegenwart ist genau bestimmt für all das, was Du immer machen wolltest. Es spielt keine Rolle wohin „...just go all in...!“.

Die Reise ins Innere...